Umgang mit Gewalt – Training

Sexueller Übergriff

Dieses Fallbeispiel schildert eine Begebenheit, in der eine Jugendliche mit einer Vergangenheit, in der es bei ihr zu sexuelllen Übergriffen kam, im Training gewisse Sequenzen, in der sie mit Knaben oder Männern trainieren soll, verweigert. Der Trainer steht vor der Herausforderung, das Mädchen voll ins Training zu integrieren.

Symboldbild: Weisse Turnschuhe auf rosa Tartanbelag.

In einer gemischten Judo-Gruppe mit Jugendlichen ab 14 Jahren und Erwachsenen üben wir eine Abwehrtechnik gegen Hüftwürfe. Ein 14 Jahre altes Mädchen, das erst seit kurzem bei uns trainiert, steht beim Üben abseits. Ich frage es, mit welchem Paar es üben möchte. Es wählt zwei Mädchen. Das Mädchen kann zwar angreifen, aber die an sich einfache Abwehrtechnik gelingt ihm nicht, weil es die Angreiferin nicht mit dem Becken blockieren kann.

Nach dem nächsten Partnerwechsel steht es schon wieder abseits, obschon ein männlicher Partner frei wäre. Als ich ihm sage, es solle doch mit dem Knaben üben, beginnt es zu weinen.

Bis zum Ende der Lektion achte ich darauf, dass das betroffene Mädchen immer eine passende Partnerin findet. Aber auch so scheitert es weiterhin am fehlenden Beckeneinsatz. Nach der Lektion spreche ich es auf das Problem an. Es sagt vorerst nur, sie möge einfach nicht mit Männern trainieren.

Fragen

  • Das Mädchen will offenbar nicht mit Knaben üben. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
  • Weshalb sind die (wahrscheinlich) vordergründigen Antworten des Mädchens zu akzeptieren? Und welches ist denn der wahre Grund seiner Blockade?
  • Wie viel Zeit braucht es, bis das Mädchen freiwillig auch mit Knaben und Männern trainiert?

Interventionen

  • Dass das Mädchen nicht mit Knaben üben will, ist zu akzeptieren. Solange die wahren Gründe nicht bekannt sind, kann das Mädchen seine Partnerinnen selber auswählen. Steht keine geeignete Partnerin zur Verfügung, kann es sich eine Auszeit nehmen.
  • Da das Mädchen auf Nachfrage nichts über die Hintergründe seiner Blockade sagt, ist es ratsam, mit der Mutter des Mädchens Kontakt aufzunehmen.
  • Im geschilderten Fall erfährt der Leiter, dass das Mädchen vom Vater sexuell missbraucht wurde. Die Mutter betont, dass ihre Tochter gerne ins Judo geht und bittet den Leiter, sie nicht zu zwingen, mit Knaben zu üben.

Auswirkung

Der Trainer schildert: «Nach etwa einem Jahr beginnt das Mädchen auch mit Knaben und Männern zu trainieren. Zuerst nur bei Übungen im Stand, später auch am Boden. Die Abwehrtechnik hat es bei der Prüfung zum blauen Gürtel erfolgreich demonstriert.»