Partnerakrobatik

Lernen von und durch Bewegung

Partnerakrobatik bildet einen Pol zu den klassischen Sportarten und bietet vielseitige pädagogische Chancen. Nicht gegeneinander (wett)kämpfen steht im Vordergrund, sondern miteinander Herausforderungen meistern und Kunststücke lernen.

Lernen von und durch BewegungIn der Partnerakrobatik wird mit Körperbewegung experimentiert. Sie bietet ein Feld, um Körpererfahrungen zu sammeln, die im normalen Alltag oder alleine nicht möglich wären.

Das gefährliche Moment, das mit «Akrobatik» assoziert wird, kann entschärft werden, da stets gemeinsam und mit Hilfestellung geübt wird. Auf diese Weise können das Unfallrisiko auf ein Minimum reduziert und die Erfolgserlebnisse auf ein Maximum gehoben werden.

Gemeinsame Kunststücke setzen neben der individuellen Körperwahrnehmung einen sensiblen, respekt- und vertrauensvollen Umgang mit dem Partnerartisten voraus. Beteiligte müssen sich verbal und non-verbal verständigen, wenn die Kunststücke gelingen sollen. Soziale Kompetenz, respekt- und vertrauensvoller Körperkontakt, Empathie, Rücksicht, und Kooperation sind hier besonders gefragt.

Kunststücke gemeinsam mit anderen zu üben lohnt sich. Das Vertrauen in andere und in sich selber kann gestärkt und Ängste abgebaut werden. Mit Partnerakrobatik können viele Aspekte im sozialen Bereich, physischen und im psychischen Bereich gefördert und entwickelt werden.

Soziale Aspekte – Miteinander statt gegeneinander

Körperkontakt – Umgang mit fremden Körpern: Für das Gelingen von Figuren spielt der Körperkontakt eine zentrale Rolle. Die Kinder müssen sich am Partner orientieren und lernen die Aufmerksamkeit nicht nur auf sich, sondern auch nach aussen zu richten. Es wird gezogen, geschubst, entspannt, gespannt, gehoben, getragen und gehalten. Sie spüren, wie sich andere anfühlen und lernen sensibel, verantwortlich und respektvoll mit der Körperlichkeit von anderen Personen umzugehen.

Vertrauen: In der Partnerakrobatik wird einander geholfen, gesichert, gestützt, getragen, gezogen und gestossen. Dies erfordert gegenseitiges Vertrauen, das sorgfältig aufgebaut werden muss. Eine grundsätzliche Bereitschaft und positive Einstellung zur Zusammenarbeit und Hilfestellung sind Voraussetzung dafür. Eine solche soziale Verantwortung erfordert eine gewisse soziale Reife.

Kooperation: Partnerakrobatische Kunststücke auszuführen geht über eine gute Zusammenarbeit zwischen den Partnern hinaus. Die Artisten müssen schöpferisch zusammen wirken, kreativ sein, sich auf andere Handlungen einstellen und die eigenen Handlungen anpassen. Das Ergebnis ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Kooperation ist das A und O der Ausführung.

Kommunikation: Nur gemeinsam gelingen Kunststücke in der Partnerakrobatik. Sich absprechen, kooperieren, rückmelden, einander anspornen und motivieren sind zwingende Bestandteile. Zudem findet ein Bewegungsdialog zwischen Artisten und Zuschauern statt. Etwas darstellen und sich körperlich ausdrücken gehören dazu. Partnerakrobatik bietet ein ideales Feld, um seine verbalen sowie nonverbalen kommunikativen Fähigkeiten zu üben.

Wir-Gefühl: Durch die Zusammenarbeit und die soziale Nähe lernen sich die Kinder besser kennen, verlieren die Scheu voreinander und bauen Vorurteile ab. Eine gelungene Gruppenvorführung ist ein Erfolgserlebnis. Dies ruft positive Emotionen hervor, die miteinander geteilt werden und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Durch gegenseitiges Helfen und Sichern können Aussenseiter und Schwache integriert werden (Gerling, 2001).

Physische Aspekte – Die Suche nach dem Gleichgewicht

Körperspannung/-entspannung: Akrobatik wird auch als ein Spiel mit Spannung und Entspannung beschrieben. Damit akrobatische Figuren gelingen, sind diese beiden Körperzustände eine wesentliche Voraussetzung. In der Partnerakrobatik erfahren Artisten, wie sich Spannung und Entspannung an anderen und an sich selber anfühlt und wie sie sich diese beiden Zustände auf die Bewegung auswirken. Sie lernen Spannung und Entspannung funktionell einzusetzen. Dies ermöglicht ihnen zugleich ihre Haltung zu kontrollieren.

Differenzierungsfähigkeit: Durch die Zusammenarbeit mit wechselnden Partnern ist Differenzierungsfähigkeit gefragt. Da jede Person anders ist, müssen sich die Partner zuerst kennen lernen und einander anpassen. Beispielsweise müssen das Gleichgewicht und der Krafteinsatz mit jedem wechselnden Partner wieder neu austariert werden.

Gleichgewicht: Partnerakrobatik ist ein Spiel mit dem Gleichgewicht. Jede Figur erfordert, den Körper stabil zu halten oder ihn kontrolliert zu bewegen. Die Gleichgewichtsfähigkeit ist in der Partnerakrobatik eine wesentliche Voraussetzung und wird durch sie gefördert.

Kraft: Partner zu halten, stützen, ziehen, stossen oder zu heben erfordert Krafteinsätze. In der Partnerakrobatik wird Kraft vorausgesetzt und auch trainiert. Zudem muss auf das Gegenüber Rücksicht genommen werden. Neben dem Trainieren der Kraft wird auch gelernt, die Auswirkung des Krafteinsatzes wahrzunehmen und ihn zu regulieren.

Psychische Aspekte – Erfolgserlebnisse stärken Selbstvertrauen

Körperwahrnehmung: Beim Experimentieren mit körperlichen Bewegungen wird die Aufmerksamkeit in der Regel nach innen gerichtet. Damit akrobatische Elemente gelingen, ist es wichtig, dass der Artist weiss, was er macht. Partnerakrobatik fordert, ständig zu hinterfragen: Wo muss ich meine Füsse platzieren, in welcher Lage ist mein Körper, wo sollte er sein, wie stark muss ich den Rumpf anspannen, wo sind meine Arme etc.? Dadurch wird das Körpergefühl differenzierter, die Wahrnehmungsfähigkeit verbessert und Bewegungserfahrungen werden erweitert.

Aufmerksamkeit: In der Partnerakrobatik sollen relativ spektakuläre Kunststücke gezeigt werden. Die Zusammenarbeit und das Wagnis erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration: Aufmerksamkeit nach aussen, auf den Partner und Konzentration nach innen, in den Körper.

Selbstständigkeit: In der Partnerakrobatik können bereits frühzeitig Helferaufgaben herangetragen werden. Dadurch wird Kindern eine gewisse Mündigkeit zugetraut. Sie sind stolz darüber, alleine, in der Kleingruppe etwas erarbeiten zu können. Mit zunehmendem Alter können sie Geräte selber aufstellen, offene Aufgaben kreativ lösen und einander selbstständig helfen und korrigieren.

Selbsteinschätzung: Beim Erarbeiten von gemeinsamen Kunststücken kommen die Kinder nicht darum herum über ihre Bewegungshandlungen zu sprechen. Die gegenseitige Hilfe, das Sichern, Absprechen, einander Korrigieren und Rückmelden fördert die Fremd- und Selbstreflexion. Dadurch wird eine realistische Selbsteinschätzung gefördert.

Selbstvertrauen: Ist ein Kunststück geschafft, steigt die Überzeugung selber etwas zu «können». Das weckt positive Gefühle und beeinflusst das Vertrauen in sich selber. Durch gegenseitige Hilfe in der Partnerakrobatik werden für alle Kinder – ob dick oder dünn, gross oder klein – Kunststücke möglich, die vorher für unmöglich gehalten wurden, wie z. B. einen Salto rückwärts.