Sweet Spot – Die Psychologie des Unterrichtens

Auf den Punkt gebracht – Wieso deine Präsentation eine Kernbotschaft braucht

Stell dir vor, eine Präsentation steht an. Du hast dich in das Thema eingelesen, hast recherchiert und hast die Zutaten für deine Präsentation beisammen. Was machst du nun? Eine Struktur erstellen? Folien basteln? Ein Manuskript anfertigen? Nein. Erstmal geht es um die Essenz. Um den Kern der Sache. Oder eben um die Kernbotschaft, die du mit deiner Präsentation vermitteln willst. Warum diese wichtig ist und was du bei deren Formulierung beachten sollst, erfährst du im vierten Artikel der Serie «Die Psychologie des Unterrichtens».

Finde den Sweet Spot

Welches Feld würdest du im Koordinatensystem ankilcken? Wie steht es um deine Kenntnisse in Sachen Kernbotschaften? Du hast drei Versuche.

Autor: Tim Hartmann, Fachspezialist bei Jugend- und Erwachsenensport am BASPO; Dozent für Sportpsychologie und Kampfsport am Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel

Bevor du startest, eine letzte Frage: Was sollen die Teilnehmenden nach deiner Präsentation mit nach Hause nehmen? Wenn du jetzt zu einem längeren Gedankengang ansetzt, könnte dir dieser Beitrag nützlich sein.

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Welches Feld würdest du im Koordinatensystem anklicken? Wie steht es um deine Kenntnisse in Sachen Kernbotschaften? Du hast drei Versuche.

Deine Ausbilderin oder dein Ausbilder …

Senkrechte: … braucht, um eine Kernbotschaft laut aufzusagen …

Waagrechte: … wählt für seine Präsentation …

4
…drei Sekunden.
A4
B4
C4
D4
3
…fünf Sekunden.
A3
B3
C3
D3
2
…acht Sekunden.
A2
B2
C2
D2
1
…zehn Sekunden.
A1
B1
C1
D1
Kernbotschaft(en).

Auflösung

Waagrechte

«Wenn es dir nicht gelingt, deine Botschaft in einem Satz zu definieren, kannst du deine Botschaft auch nicht in einer Stunde vermitteln», zeigt sich die Kommunikationsexpertin Dianna Booher überzeugt. «KISS: Keep it short and simple» – nicht 7, nicht 5, nicht 3 Kernbotschaften, sondern genau eine. Die Reduktion auf das Wesentliche ist harte Arbeit und gelingt nicht im Handumdrehen. Mitunter dürfte dies ein Grund sein, warum die wenigsten sich diese Mühe machen. In seinem Buch «Der einfache Weg zum begeisternden Vortrag»1 schätzt der professionelle Trainer Florian Mück, dass er in den ersten sechs Jahren seiner Tätigkeit rund 4700 Präsentationen erlebt hat. Auf die Frage, wie viele dieser Präsentationen eine klare Botschaft hatten, antwortet er: «Vielleicht ein Dutzend.»

Das ist schade. Schliesslich gibt die Kernbotschaft dem Publikum eine Orientierung, dient deinem Auftritt als roten Faden und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Präsentation den Zuschauerinnen und Zuschauern nachhaltig in Erinnerung bleibt.

Die Reduktion der Präsentationsinhalte auf eine einzige Botschaft bedeutet nicht, dass das Publikum nur diese mitnimmt. Wenn wir uns die Präsentation als Reise vorstellen, dient uns die Kernbotschaft als Wegweiser. Wie die Reise einige Sehenswürdigkeiten und vielleicht noch den einen oder anderen Umweg beinhaltet, setzt sich die Präsentation nebst der Kernbotschaft aus verschiedenen Argumenten, Beispielen und Empfehlungen zusammen. Sie zahlen auf das Konto der Kernbotschaft ein und werden idealerweise auch vom Publikum erinnert.

Senkrechte

«KISS: Keep it short and simple» bezieht sich nicht nur auf die Anzahl von Kernbotschaften, sondern auch auf deren Länge. In einem Blog-Beitrag warnt das Institut für Rhetorik und Kommunikation2 vor Wortmonstern. Demnach sollten gewinnbringende Kernbotschaften zwischen 3 und 7 Wörtern umfassen. Mit Blick auf die Uhr lautet die Empfehlung: Lässt sich eine Kernbotschaft nicht innerhalb von 3 Sekunden laut sagen, ist sie zu lang. Grund dafür ist das Arbeitsgedächtnis des Menschen, das sich mit langen Sätzen schwertut. Auch Inhalte, die nur einmalig auftauchen, bereiten unserem Arbeitsgedächtnis Mühe. Willst du sicherstellen, dass dein Publikum die Kernbotschaft nach Hause trägt, musst du sie mehrfach kommunizieren.

Lernen wir von den Besten. Schauen wir uns zwei historische Reden an, die sich aufgrund ihrer prägnanten Kernbotschaften ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Zum einen ist es die Antrittsrede des damaligen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2008. Mit der Kernbotschaft «Yes we can» wandte er sich an das amerikanische Volk. In seiner 17-minütigen Rede skandierte er den Ausspruch sieben Mal. Zum anderen ist es die Rede des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King beim Marsch auf Washington im Jahr 1963. Auch er wählte eine einfache und klare Kernbotschaft: «I have a dream». In seiner ebenfalls 17 Minuten dauernden Rede wiederholte er diese Botschaft acht Mal.

Nun wirst du dich mit deiner nächsten Präsentation vermutlich nicht an eine ganze Nation wenden und der Rahmen dürfte weniger feierlich ausfallen. So gesehen, musst du deine Kernbotschaft auch nicht sieben oder acht Mal wiederholen. Rhetorik-Expertinnen und Experten empfehlen die Kernbotschaft dreimal im Laufe einer Präsentation zu platzieren. Vorbildlich tat dies Apple-Gründer Steve Jobs. In seiner Rede an die Absolventinnen und Absolventen der Stanford Universität wählte er die Kernbotschaft «Stay hungry. Stay foolish» (sinngemäss: «Bleib neugierig. Bleib mutig»). Er verlieh ihr Nachdruck, indem er sie dreimal platzierte.

Natürlich hast du zwischenzeitlich herausgefunden, welche die Kernbotschaft im vorliegenden Artikel ist: «KISS: Keep it short and simple». Unsere Kernbotschaft, wie du Kernbotschaften formulieren sollst. Bestimmt hast  du sie verinnerlicht. Schliesslich haben wir uns an die obenstehenden Empfehlungen gehalten. So haben wir unsere Kernbotschaft kurz, klar und prägnant formuliert und sie – im Sinne der angesprochenen Regel – dreimal wiederholt.

Tipps für das Formulieren einer Kernbotschaft

  • Achte darauf, dass deine Kernbotschaft kurz und klar ist und verwende Verben statt Substantive. Diese bringen eine Handlung zum Ausdruck und wecken Emotionen. Also nicht «Trainingsfleiss als Erfolgsfaktor», sondern «Heute trainieren, morgen gewinnen».
  • Akronyme wie KISS im vorliegenden Artikel eignen sich gut als Kernbotschaft. Sie bieten den Vorteil, dass sie kurz und kompakt sind und im Sinne einer Merkhilfe den Wissenstransfer vereinfachen. Zudem kannst du Akronyme gegen Ende deiner Präsentation als Lernkontrolle einsetzen («Wer erinnert sich, für was steht KISS?»). So setzen sich die Teilnehmenden aktiv mit der Kernbotschaft auseinander und können diese besser verinnerlichen.
  • Anstelle einer verbalen Kernbotschaft kannst du auch mit einem prägnanten Bild arbeiten. Verwende dieses Bild mehrfach in deiner Präsentation und kommentiere es auf der Tonschiene. Die Kombination von visuellen und auditiven Inhalten steigert die Erinnerungsleistung deiner Teilnehmenden.

Quellen

  • 1Mück, F. (2023). Der einfache Weg zum begeisternden Vortrag. Redline Verlag: München.
  • 2www.rhetorik-online.de/prinzipien-kernbotschaften/

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