Stressmanagement

Belasteter Geist – belasteter Körper

«Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare», war der deutsche Lyriker Christian Morgenstern (1871-1914) überzeugt. Diese Feststellung trifft auch auf den stressgeplagten Menschen von heute zu. Betroffene leiden oftmals unter körperlichen, emotionalen und kognitiven Beeinträchtigungen.
Foto: Erwachsene Person im Jogging-Anzug hält sich die Hände auf das schmerzende Kreuz.

Der Stress kommt die Schweiz teuer zu stehen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) beziffert die jährlichen Kosten von Stress im Jahre 2000 auf 4.2 Milliarden Schweizer Franken (1.4% des Bruttoinlandprodukts). Diese Grössenordnung lässt erahnen, dass Stress massive gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht. Tatsächlich weisen gestresste Menschen häufig eine komplexe Symptomatik auf.

Typische körperliche Stressreaktionen sind Nacken- und Rückenschmerzen, ein erhöhter Blutdruck, Verdauungsprobleme oder ein geschwächtes Immunsystem. Auf emotionaler Ebene reagieren Personen im Dauerstress mit Ärger, Gereiztheit, Aggressivität, Antriebslosigkeit oder depressiven Stimmungszuständen. Belastend kommt hinzu, dass sich viele Symptome im Sinne eines Teufelskreises gegenseitig negativ beeinflussen.

Ein Beispiel: In Stresssituationen steigt die Muskelspannung. Hält der Stressreiz an, wird aus der Anspannung Verspannung. Auf Dauer entwickeln sich daraus chronische Nacken- und Rückenschmerzen. Die Leistungsfähigkeit des Betroffenen nimmt ab und er fehlt öfters am Arbeitsplatz. Diese Fehltage wiederum stellen eine eigene Stressquelle dar. Die gleiche Arbeit muss nun in weniger Zeit verrichtet werden, vielleicht kommen auch noch Ängste um den Erhalt des Arbeitsplatzes hinzu.

Der zusätzliche Stress fordert seinen Tribut. Die muskuläre Anspannung steigt erneut an, die Nacken- und Rückenschmerzen verschlimmern sich. Erschwerend gesellen sich ungünstige Verhaltensmuster dazu. Im vorliegenden Fall wären Kraft- und Rückenübungen sicherlich angebracht. Aus Zeitgründen – die Arbeit steht einem ja schon bis zum Hals – wird aber darauf verzichtet.

Die Feuerleiter oder der Sprung aus dem Fenster?

Stress macht sich auch auf kognitiver Ebene bemerkbar. Der deutsche Psychologe Klaus Linneweh (siehe Literatur) bemerkt treffend: «Wer unter Druck und mit der Angst vor Versagen ein Problem lösen will, ist zu fixiert. Er springt aus dem Fenster, statt nach der Feuerleiter zu suchen.» Einerseits treten Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit in akuten Belastungssituationen auf. Wer schon einmal in einer wichtigen Prüfung ein Blackout hatte, kann davon ein Liedchen singen.

Anderseits scheint sich auch chronischer Stress negativ auszuwirken. Forschungsergebnisse belegen, dass Stress eine Enzymaktivität nach sich zieht, welche das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt. Betroffene bekunden Mühe mit dem Planen, Denken und Urteilen.

Sind diese grundlegenden kognitiven Prozesse eingeschränkt, treten zwangsläufig Probleme am Arbeitsplatz auf. Die Arbeitsleistung lässt nach und es kommt – ähnlich wie im obigen Beispiel – zu einer Negativspirale und einer sukzessiven Zunahme der Stresswahrnehmung.