Sportmedizin – Regeneration

Praxistauglich planen und gestalten

Zunehmend mehr Leistungssportlerinnen und Leistungssportler erzielen bessere Resultate, oft dank verbesserter und teilweise auch innovativer Regenerationsmethoden. Welche Rolle spielen dabei Trainerinnen und Trainer? Und wie können sie diesen Prozess leistungsfördernd anstossen, respektive begleiten? Diesen Fragen geht dieser Blog nach, vermittelt grundlegende (Er-)Kenntnisse und zeigt auch einfach anzuwendende Massnahmen für den Praxisalltag auf.

Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)

Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.

Baumelnde Füsse über Wasser.

Text: Philipp Wäffler, Verantwortlicher Fachbereich Sportmedizin, Trainerbildung Schweiz

Es ist zwar hinlänglich bekannt, dass die Regeneration im Leistungs- und Spitzensport von  grosser Wichtigkeit ist. Doch: In der Praxis wird ihr während der Trainingsplanung und -steuerung noch oft zu wenig Beachtung geschenkt.

Hinzu kommt, dass in jüngster Zeit eine Vielzahl von Regenerationsmassnahmen propagiert werden. Die zielführende Auswahl und Anwendung findet aber oft nicht statt.

Eine individuelle Angelegenheit

Grafik: Einflussfaktoren der Gesamtbelastung und des Erholungsbedarfs eines Athleten.
Einflussfaktoren der Gesamtbelastung und des Erholungsbedarfs eines Athleten. Quelle: Birrer, D. (2012), Task Force Sotchi 2014: Bern. Swiss Olympic

Athletinnen und Athleten regenerieren bekanntlich sehr individuell.  Und der Grad der Regeneration ist auch durch subjektives Empfinden geprägt. Für Trainerinnen und Trainer gilt es, nebst den individuellen Voraussetzungen auch die Gesamtbeanspruchung im Auge zu behalten. Denn sie haben einen grossen Einfluss darauf, das komplexe Zusammenspiel von physischen, psychischen sowie belastungs- und situationsabhängigen Faktoren zu steuern.

Eine Rolle als Trainerin und Trainer besteht darin, den Trainingsprozess optimal zu steuern und dazu gehört auch, die Regeneration zu Gunsten der Athleten einzuplanen, um letztlich die gewünschte Leistung oder das Resultat aber auch die stetige Weiterentwicklung möglichst verletzungsfrei zu unterstützen (siehe Regman)

Aktive und passive Regeneration

Eine Steigerung der sportlichen Leistung im Spitzensport wird zunehmend schwieriger, ohne die Athletinnen und Athleten zu überlasten. Der gezielte Einsatz von Regenerationsmethoden kann jedoch die Leistung allenfalls noch maximieren. Dies bedingt, dass eine Trainerin oder ein Trainer ein paar einfache Grundregeln beachtet. Zwei Aspekte sind zentral:

  • Monitoring von Beanspruchung und Erholung
  • Auswahl, Planung und Anwendung von effizienten Regenerationsmassnahmen

Um eine möglichst schnelle und gute Erholung nach sportlichen Belastungen zu erreichen, ist eine Mischung aus aktiven und passiven Regenerationsmassnahmen am erfolgversprechendsten.

Aktive Regeneration

Foto: Athlet auf Ergometer, Fussballer beim Aàuslaufen.

Massnahmen, die durch aktive Bewegung die Erholung fördern, sind dann äusserst effizient, wenn sie kurz nach der Belastung aktiv angewendet werden. Sie fördern die Durchblutung und tragen z.B. zum Laktatabbau und zur Muskelentspannung nach starker Belastung bei.

Sogenannte «cool downs» können in verschiedener Form gemacht werden:

  • Auslaufen und –fahren
  • Gymnastik, Stretching
  • Spiele

Wichtig ist eine geringe und, wenn möglich, andere Belastungsform zu wählen.

Passive Regeneration

Foto: Masseur beim Massieren, Badelandschaft.

Eine Vielfalt von passiven Regenerationsmassnahmen unterstützt die längerfristige, nachhaltige Erholung. Bekannte Beispiele sind:

  • Massagen
  • Sauna, Bäder
  • Kompressionen
  • Wärme/ Kälte
  • Trainingsfreie Phasen
  • Ernährung
  • Schlaf

Wichtig ist die gezielte Auswahl nach Nutzen, aber auch aufgrund individueller Präferenzen.

Warum beide wichtig sind

Wie so oft gilt es auch hier eine gute Mischung zwischen aktiven und passiven Regeneratiosmassnahmen zu finden. Denn jede Massnahme hat ihre Wirkung. Sind es bei der aktiven Regeneration vor allem Stoffwechselprozesse und positive Effekte für die Muskeln, so sind es bei der passiven in erster Linie längerfristige Prozesse, die zur Regeneration und verbesserten Leistungsfähigkeit beitragen.

Bei beiden Massnahmen (aktiv und passiv) kommt nebst der physischen auch der psychischen Regeneration eine grosse Bedeutung zu: Stressabbau, Abschalten, Batterien laden sind ein paar bekannte Stichworte dazu.

Alles zu seiner Zeit …

Trainerinnen und Trainer sollen gezielt überlegen,  wann sie welche Methode einplanen und  anwenden. Ihnen fällt die Aufgabe zu, den Athletinnen und Athleten die Wirksamkeit und den nachhaltigen Nutzen der verschiedenen Massnahmen aufzuzeigen und gleichzeitig im Dialog zu klären. Die populärste oder einfachste Massnahme ist vielleicht nicht immer die zielführendste. Denn jede Athletin, jeder Athlet ist anders. Und muss letztlich die Regenerationsmassnahmen auch unterstützen respektive anwenden.

Eine gut geplante Abfolge und der Einsatz der verschiedenen Regenerationsmassnahmen, gekoppelt an die Belastung(en), ist wichtig. Kurzfristig stehen neben der Hydrierung und Ernährung aktive Massnahmen wie Auslaufen etc. im Vordergrund. Für die längerfristige Erholung gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die entscheidenden passiven Massnahmen zu legen.

Grafik Einsatz und Abfolge Regenerationsmassnahmen.

… und im Alltag anwendbar

Die ausgewählten Massnahmen sollen auch praxistauglich sein. Denn die beste Massnahme nützt nichts, wenn sie zum falschen Zeitpunkt angewendet wird. Hier sind Trainerinnen oder Trainer besonders gefordert: Es gehört zur Trainingsplanung, nicht nur wirksame Regenerationsmassnahmen auszuwählen und einzuplanen, sondern auch die Voraussetzungen zu schaffen, um diese im Praxisalltag umsetzen zu können. Dies trägt wesentlich zum Trainingserfolg und der Leistungsentwicklung bei.

zwei Frauen am Bassinrand

Welche Methode zur Anwendung kommt, hängt immer auch von folgenden Faktoren ab:

  • Dauer und Intensität der Belastung
  • Belastungsform
  • Sportart

Es empfiehlt sich, fachspezifische Information zu der im Fokus stehenden Sportart zu studieren. Denn eine Ausdauersportlerin hat andere Regenerationsbedürfnisse als ein Kraftsportler. Eine Grundregel: Je intensiver eine Belastung ist, desto grösser ist der Erholungsbedarf.

Gut ernährt und ausgeschlafen

Schlaf ist bekanntlich als Regenerationsmassnahme im Leistungs- und Spitzensport enorm wichtig. Er trägt bekanntlich wesentlich dazu bei, erholt, ausgehruht und leistungsfähig zu sein; aber er unterstützt auch komplexere Regenerationsprozesse wie Wachstum, Muskelaufbau und Stärkung des Immunsystems. Also: Schlaf als essentiellen Bestandteil der Regeneration einplanen und unterstützen. Trainerinnen und Trainer sollten sich des erhöhten Ruhebedarfs nach intensiven Belastungen sowie der individuellen Schlaftypen der Athletinnen und Athleten bewusst sein.

Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle. Nicht nur vor, während und nach dem Training und Wettkampf, sondern in der allgemeinen Leistungsentwicklung. Ernährung als passive Regenerationsmassnahme gehört in jede Trainings- und Wettkampfplanung. Es empfiehlt sich in diesem Bereich den Austausch mit Fachpersonen zu suchen. Denn: Richtig essen und erholsam schlafen gehört zu den Regenerationsmassnahmen mit dem grössten Nutzen.

Aufwand und Ertrag

Um eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen, gilt es Aufwand und Ertrag zu optimieren.

Bild von einem Eisberg.
Mit der gezielten Beachtung, Einplanung und Optimierung von Ernährung und Schlaf lässt sich die grösste Wirkung erzielen.
Quelle: Stephan Meyer, 2021 in Anlehnung an Andrew Cross & Adam Crook

In Bezug auf Regeneration heisst dies, die

  • wirkungsvollsten
  • einfachsten

Massnahmen zuerst umsetzen!

In einem zweiten Schritt empfiehlt es sich, weitere Regenerationsmassnahmen zur Leistungsoptimierung in Betracht zu ziehen und so das Gesamt-Portfolio individuell und je nach Belastung zu erweitern. 

Grafik: Aufwand und Ertrag
Quelle: Trösch S. (2017)

Auch hier: Aufwand und Ertrag berücksichtigen. Oft lassen sich mit geringem Aufwand sehr effektive Massnahmen einfach und überall in der Praxis umsetzen.

Gerade bei jungen Athletinnen und Athleten gilt es, der zeitlichen Beanspruchung (Schule, Ausbildung) Rechnung zu tragen. Aber auch ihr Verständnis für das Wesentliche und die wichtigsten Grundlagen im Bereich Regeneration zu fördern.

Sind einmal die wichtigsten Grundsätze beachtet und in der täglichen Trainingsplanung integriert, lässt sich einfacher darauf aufbauen und individuell anpassen. Dies kann jeder aktiv steuern und fördern.

Regeneration einplanen: ein Muss

Wir wissen also: Regeneration ist zentraler Bestandteil der Trainingsplanung und -steuerung. Denn schliesslich will jede Trainerin und jeder Trainer gesunde, leistungsfähige und erholte Athletinnen und Athleten an Wettkämpfen und im täglichen Training.

Grafik: negative Leistungsentwicklung.
Quelle: P. Wäffler

Defizite sind oft erst längerfristig ersichtlich: einerseits das Verletzungsrisiko, anderseits aber ganz allgemein (und oft schleichend) ein Leistungsabfall. Bis ein solcher als Übertraining erkannt wird, dauert es oft sehr lange. Und es kann dann schon zu spät sein.

Es kann nicht genug wiederholt werden: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Regeneration gehört bereits ins früheste Stadium der Trainingsplanung.

Grafik: positive Leistungsentwicklung.
Quelle: P. Wäffler

Sinnvoll und richtig geplante Belastungswiederholungen, gefolgt von Erholungsphasen führen zu einer Leistungssteigerung. In der sogenannten Phase der Superkompensation, können gezielt neue Belastungsreize gesetzt werden. Erfolgreiche Trainerinnen und Trainer beherrschen die Steuerung der Belastungs- und Erholungs-Prozesse.

Merke dir als Trainerin oder Trainer

  • Übernimm Verantwortung als Trainerin und Trainer. Integriere Regeneration bereits in der Planung von Training und Wettkämpfen.
  • Aufwand und Ertrag: Setze die einfachsten und wirkungsvollsten Massnahmen zuerst um, danach weitere zur Optimierung.
  • Individualität: Trage den verschiedenen Athleten Typen Rechnung. Nimm  – wo möglich – entsprechende Anpassungen vor.
  • Aktiv steuern: Beeinflusse als Trainerin und Trainer die Regeneration aktiv, und zwar durch Ausbildung, Steuerung und Umsetzung.
  • Fokussierung auf das Wesentliche: Unterstütze Athletinnen und Athleten, damit sich nicht verzetteln beim stetig wachsenden Angebot an Regenerationsmassnahmen.
  • Ganzheitliche Betrachtung von Beanspruchung und Erholung: Es ist nicht nur die sportliche Belastung von Training und Wettkampf, sondern die Gesamtheit, die bei der Definition des Erholbedarfs und den geeigneten Regenerationsmassnahmen von Bedeutung ist.

Quellen und weiterführende Literatur