50 Jahre J+S – Suchtprävention

Lasst uns auf das Jubiläum anstossen!

50 Jahre Jugend und Sport, das ist ein Grund zum Feiern! Auch aus Sicht der Suchtprävention kann gefeiert werden. In den letzten 50 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert. Auch in der Sportwelt hat sich der Umgang mit Suchtmitteln weiterentwickelt. Der vorliegende Beitrag legt einen Fokus auf die Entwicklungen der Suchprävention bei Alkohol und Tabak.

50 Jahre J+S – Suchtprävention: Lasst uns auf das Jubiläum anstossen!

Autorinnen: Miriam Fournier-Hodel und Florence Brunner, Fachstelle Integration und Prävention, Bundesamt für Sport BASPO

Schwarze Lungen, vergilbte Finger, schrumpelige Haut und allgemein ungesundes Aussehen. Früher wollte man die Menschen mit solchen Bildern vom Suchtmittelkonsum abschrecken. Der Mahnfinger galt als wichtiges Instrument in der Suchtprävention. Noch heute sind die Bilder von kaputten Organen auf den Zigarettenschachteln zu sehen.

In der Zwischenzeit ist klar: Die Einflussfaktoren von Sucht sind komplex und abhängig von der Person (Individuum), dem Suchtmittel (z.B. Nikotin macht schnell abhängig) und dem Umfeld (z.B. Sportvereine). Deshalb ist heute ein ganzheitlicher Ansatz gefragt, der alle Faktoren mitberücksichtigt.

Als der Schweizer Alltag noch «blau» war

Alkohol galt in der Schweiz nie als illegale Droge und wird unter staatlichen Abgaben kontrolliert verkauft. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts rückte der Fokus immer mehr auf die negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums. Trotzdem war der Konsum in der Schweiz stark verbreitet.

Illustration des «Nebelspalter» vom 9. November 1976 zum Alkoholkonsum in der schweizerischen Gesellschaft. Quelle: Sucht – «Jeder Jugend ihre Drogen» Provozieren – Abgrenzen – Definieren | Sozialgeschichte
Illustration des «Nebelspalter» vom 9. November 1976 zum Alkoholkonsum in der schweizerischen Gesellschaft. Quelle: Sucht – «Jeder Jugend ihre Drogen» Provozieren – Abgrenzen – Definieren | Sozialgeschichte

In den 70er Jahren griff der «Nebelspalter» mit einer Karikatur (siehe Bild) den verbreiteten Konsum von Alkohol in verschiedenen Lebensbereichen auf. Die «blauen Nasen» prangerten die Trunkenheit bei der Arbeit und im Alltag an. Erste Werbe- und Altersbeschränkungen nahm die Schweiz 1983 in das Alkoholgesetz auf und führte auch erste gesetzliche Regelungen zum Jugendschutz ein.

Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Massnahmen – wie zum Beispiel eine Alkoholpräventionskampagne des Bundesamts für Gesundheit im Jahr 1999 – hinzu und dies zeigte Wirkung: 1971 lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an alkoholischen Getränken in der Schweiz bei 131.1 Litern und war im Alltag sehr präsent. Der Konsum ging seitdem stetig zurück und lag im 2020 noch bei 89.7 Litern pro Kopf. Heute geniessen vier von fünf Menschen in der Schweiz Wein, Bier, Spirituosen etc. ohne ein Problem zu entwickeln. Jede fünfte Person trinkt zu oft oder zu viel.

Alles im Griff? Diese Frage war der Aufhänger der 1999 gestarteten Alkoholpräventionskampagne des Bundesamts für Gesundheit BAG. Quelle: Bundesamt für Gesundheit BAG

Ein paar Worte zum Sport

Jugendliche Mitglieder eines Sportvereins konsumieren häufiger Alkohol als ihre Kolleginnen/Kollegen, die nie Mitglied im Sportverein sind. Teamsportarten (wie Fussball, Handball, Basketball etc.) verleiten die Jugendlichen eher zu Alkoholkonsum. Am meisten gefährdet sind junge Männer bis 16 Jahre, die Mannschaftssport betreiben und Bier mögen.


Der blaue Dunst verliert an Reiz

Im 20. Jahrhundert erlebte das Rauchen seine Blütezeit, speziell in der Nachkriegszeit. Rauchen wurde mit Genuss und Freiheit verbunden. Durch die Plakatwerbung war das Rauchen in der Öffentlichkeit überall präsent.

Ob im Zug, Flugzeug, in der Disco, im Fernsehen oder in den Wirtshäusern, geraucht wurde überall. Ein exaktes Datum, seit wann das Rauchen mit Krankheit und Sucht assoziiert wird, gibt es nicht. Seit 1964 ist klar, dass Rauchen das Auftreten von Lungenkrebs begünstigt.  

«Die Rauchertradition der Schweiz hat sich Schritt für Schritt in Rauch aufgelöst»

— Beitrag von Benedikt Meyer: Verraucht

Seit die gesundheitsschädigende Wirkung sowie das starke Suchtpotenzial von Tabak- und Nikotin-Konsum bekannt war, begann die Sensibilisierung der Bevölkerung und die Durchsetzung von Massnahmen. So zum Beispiel allgemeine Preiserhöungen und höhere Besteuerung von Tabakprodukten: Kostete eine Packung Zigaretten 1992 noch 3.10 Franken, stieg der Preis bis 2015 auf 8.50. Und es wurden Rauchverbote im öffentlichen Verkehr erlassen.

Ein paar Worte zum Sport

Für den Sport ist heute klar, dass Rauchen negative Auswirkungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit hat. Die Raucherquote bei den Sportlerinnen und Sportlern – und vor allem bei den Jugendlichen – ist deutlich tiefer als bei den Nichtsportlern. 


Die Gegenbewegung im Snus

Die Industrie setzte auf Alternativen wie «Dampfer und Erhitzer». Doch auch diese Produkte schaden der Gesundheit: Es ist keine «gesündere» Form des Konsums, sie schadet einfach «anders».

Die Gegenbewegung im Snus
2016 importierte die Schweiz 66 Tonnen Kau-, Rollen und Schnupftabak allein aus Schweden.

Zwar hat sich das starke Rauchen laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2017 in den letzten 25 Jahren halbiert, doch die Entwicklung bei der oralen Konsumform Snus (Tabakbeutel unter der Oberlippe) ist konträr. Diese Form belastet nachweislich die Lunge nicht, hat aber eine Vielzahl anderer schädlicher Wirkungen auf den Körper – vom Zahnfleisch bis zum Verdauungstrakt. Die süchtigmachende Wirkung des Nikotins ist gegenüber der Zigarette eher erhöht (1 Beutel Snus = 3 Zigaretten Nikotingehalt).

1995 wurde Snus in der Schweiz verboten. Trotz des Verbots boomte die Substanz weiter in der Schweiz, weil die Tabakindustrie eine Gesetzeslücke ausnützte. Die eidgenössische Zollverwaltung registrierte 2016 alleine aus Schweden einen Import von 66 Tonnen Kau-, Rollen- und Schnupftabak. Zehn Jahre zuvor war es noch eine Tonne. Seit einem Bundesgerichtsentscheid von 2019 darf der Mundtabak in der Schweiz legal vertrieben werden. Dieser Entscheid ändert aber nichts an der Einschätzung in Bezug auf die gesundheitlichen Risiken.

Ein paar Worte zum Sport

Auch im Sport (Breiten- wie auch Spitzensport) ist die Einnahme von Snus verbreitet. Der Beutel kann während des Sports problemlos unter der Oberlippe festgemacht werden.

In Sportarten wie Unihockey, Eishockey, aber auch Fussball gehören die Tabakbeutel längst dazu. Die genaue Wirkung auf den Sportler/die Sportlerin ist noch ziemlich unerforscht. Laut Aussagen erhalten sie bei einer Einnahme einen «Kick/einen Extraschub an Motivation». Kurz: Aus Präventionssicht gibt es beim Thema Snus aktuell leider nichts zu feiern.


Suchtprävention heute

Verhältnisprävention mit der Kampagne «für uns – Gute Luft für Sportkids auf den Sportarealen» im Kanton Thurgau von 2018
Verhältnisprävention mit der Kampagne «für uns – Gute Luft für Sportkids auf den Sportarealen» im Kanton Thurgau von 2018

In den letzten 50 Jahren hat sich also Vieles verändert. Versuchte man es früher mit der Abschreckung wird heute in der Suchtprävention der positive Ansatz gewählt: Das Individuum soll gestärkt und befähigt werden, für sich gute Entscheide zu treffen.

Dies nennt sich «Verhaltensprävention». Gleichzeitig wird mit Verhältnisprävention ein Umfeld geschaffen, welches Suchtmittelkonsum gar nicht erst begünstigt: Rauchfreie Sportareale, keine Werbung für Tabakprodukte, kein Verkauf von Alkohol an Sportanlässen für Jugendliche, etc.

Suchtprävention bei Jugend+ Sport

Suchtprävention bei Jugend+ Sport
Lebenskompetenzen sind «Fertigkeiten, die es einer Person gestatten, effektiv mit Herausforderungen und Belastungen aus dem alltäglichen Leben umzugehen.» Quelle: Gesundheitsförderung Schweiz, Fokusthema «Lebenskompetenzen».

Auch das Sportförderwerk des Bundes, Jugend+Sport ,legt den Fokus auf die Stärkung des Individuums. Einerseits sollen J+S-Leiterinnen und -Leiter die Kinder und Jugendlichen in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen. Andererseits soll ihnen aufgezeigt werden, wie sie sich in ein Team einbringen können und welche Werte dabei zu verfolgen sind.

Beide Bestrebungen werden durch die Förderung der Lebens- und Gesundheitskompetenzen unterstützt. Das Kartenset «Fördern» bietet konkrete, praxisnahe Handlungsempfehlungen, wie J+S-Leitende in ihrer Sportart diese Ziele erreichen können. 

Denn heute ist man sich weitgehend einig: Jugendliche, die von ihrem Umfeld gefördert und gestärkt werden, greifen seltener zu Suchtmitteln.


cool and clean

Auch das nationale Präventionsprogramm «cool and clean» von Swiss Olympic setzt sich seit 2003 für fairen und sauberen Sport ein. «cool and clean» bietet Informationen zu verschiedenen Genuss- und Suchtmitteln im Sportumfeld.

Im Sinne der Verhaltensprävention unterstützt «cool and clean» leitende Personen darin, die Lebens- und Gesundheitskompetenzen der Jugendlichen zu fördern, gefährliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und richtig zu reagieren.

Gleichzeitig beraten die kantonalen Botschafterinnen und Botschafter die Vereine im Sinne der Verhältnisprävention, wie sie das Umfeld des Vereins gesundheitsfördernd gestalten können.


Fazit

Es ist auch heute noch in vielen Sportvereinen üblich, nach einem Match das isotonische Bier im Namen der Regeneration zu geniessen. Jugendliche in Sportvereinen rauchen zwar weniger als Altersgenossen, der Alkoholkonsum wird aber durch das ausgelöste Zusammenhörigkeitsgefühl zusätzlich verstärkt.

Da sich die negativen körperlichen Auswirkungen des Alkohols im sportlichen Kontext weniger schnell bemerkbar machen als jene von Nikotin, ist der akute Anreiz gerade für Sportlerinnen und Sportler im Vergleich kleiner. Dank Präventionskampagnen wie «cool and clean» sind Sportvereine sensibilisiert auf die Themen und treffen immer mehr Massnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Noch mehr Aufklärung und Sensibilisierung braucht es zum Thema Snus. Denn die negativen Einflüsse der kleinen Beutel auf die Gesundheit werden unterschätzt.

Ob sich die Trink- wie auch die Raucherkultur in den nächsten Jahrzehnten schrittweise auflöst, wird sich zeigen. Und wer weiss, vielleicht wird schon beim nächsten J+S-Jubiläum gemeinsam alkoholfrei angestossen.


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