Umgang mit Gewalt – Spielfeld

Tätlichkeiten mit Medienecho

Situationen, die in Medien für Aufmerksamkeit sorgen, sind Gewalteskalationen während eines Spiels, in denen sich sowohl Spieler als auch Zuschauer einmischen. Dieses Fallbeispiel zeigt auf, welche Konsequenzen eine solche Eskalation nach sich gezogen hat.
Symbolbild: eine rote Karte.

Ein Penaltyentscheid gegen die Gastmannschaft in der letzten Spielminute führt zu tätlichen Angriffen gegen den Schiedsrichter. Zwei Spieler des Gastteams, die vom Referee nachträglich identifiziert werden, attackieren ihn physisch massiv; gleichzeitig versuchen laut Zeugenaussagen Spieler beider Mannschaften, den Schiedsrichter zu schützen.

Am Ende müssen der Schiedsrichter und drei Spieler des Heimteams in Spitalpflege gebracht werden. Die avisierten Polizeieinheiten treffen auf dem Platz ein, als sich die Situation bereits beruhigt hat und sich die Spieler in der Garderobe befinden.

Noch bevor sich die Sanktionsinstanz des Verbandes mit dem Fall befassen kann, entscheidet der Oberammann des Bezirks, dass die auswärtige Mannschaft bis auf weiteres nicht mehr in diesem Bezirk spielen darf. Zudem wird über den Vorfall schweizweit in den Medien berichtet.

Als Reaktion wollen sich die Schiedsrichter des ganzen Kantons mit einer Streikaktion solidarisieren: «Wir zeigen der Gewalt die rote Karte», heisst der medienwirksame Slogan. Der Fussballverband schlägt als Alternative vor, dass alle Schiedsrichter mit einer roten Armbinde auf den Vorfall hinweisen sollten.

Fragen

  • Was ist genau vorgefallen? Was sagen Zeugen aus? Wer recherchiert wie?
  • Weshalb eskaliert die Situation?
  • Interessiert die Frage, ob ethnisches Konfliktpotenzial im Spiel ist?
  • Welche Möglichkeiten der Entschärfung bestehen, werden sie genutzt?
  • Wie reagieren die Sanktionsinstanzen? Sind kollektive Strafen sinnvoll? Wie wird clubintern reagiert?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich nach dem Vorfall?

Interventionen

  • Überstürzte (exemplarische) Sanktionen, bevor abgeklärt ist, was genau vorgefallen ist (in diesem Fall findet keine Parteienbefragung und es fehlt der Polizeibericht), drohen den Konflikt zu verschärfen.
  • Kollektivstrafen, welche das ganze Team treffen, sind heikel, vor allem dann, wenn Spieler beider Gegner versuchen, den Schiedsrichter zu schützen.
  • Um der Respektlosigkeit entgegenzutreten, sind auch Trainer in die Pflicht zu nehmen; und undisziplinierte Spieler sind clubintern zu sanktionieren.
  • Körperlich und emotional überhitzte Spieler stellen eine Gefahr für sich selber und für andere dar. Sie sind von den Trainern (beider Mannschaften) rechtzeitig auszuwechseln, was in diesem Fall unterlassen wird.
  • Der Schiedsrichter kann/soll das Spiel unter- oder sogar abbrechen, wenn es zu rassistischen Provokationen kommt. Ein Penalty in letzter Minute kann das Fass zum Überlaufen bringen.

Bemerkungen: Im Gespräch mit beteiligten Spielern und Zuschauern hört man unterschiedliche Versionen und Nuancen zum Geschehen, was aber zunächst weder Medien noch Sanktionsinstanzen zu interessieren scheint. Während des Spiels sind Provokationen, insbesondere gegen Spieler ausländischer Herkunft des Gastteams zu hören, was der Schiedsrichter offenbar nicht genügend zur Kenntnis nimmt. Kommt dazu, dass gelb-rote Karten einseitig das Gastteam treffen, welches aus einem städtischen Quartier mit schlechtem Ruf stammt.

Aber auch solche Aspekte, die letztlich von den Betroffenen als ungerechte und fremdenfeindliche Diskriminierung empfunden werden, scheinen bei der Beurteilung des Falles kaum Berücksichtigung zu finden. In diesem Fall spielt die Mediatisierung des Falles eine grosse Rolle und verleiht ihm quasi eine Eigendynamik. Dazu gehört wohl auch die geplante Streikaktion der Schiedsrichter, die der Verband kontraproduktiv findet, weil damit der ganze Spielbetrieb lahmgelegt werde.

Sonderfall Zuschauer

Die Clubs haben grosses Interesse, Gewalteskalationen durch Zuschauer gegen Schiedsrichter zu verhindern. Wenn die Tat anonym bleibt, werden sie nämlich zur Kasse gebeten. Bei schlimmeren Vorkommnissen (z. B. Wurfgeschoss mit Verletzungsfolgen und Spielabbruch) ist die Sportinstanz wiederum gefragt, manchmal unter Einbezug der Strafbehörden, wenn die Folgen gravierend sind.