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Kreuzbandverletzungen vorbeugen

50 Prozent der Verletzungen des vorderen Kreuzbandes entstehen im Alter von 15 bis 25 Jahren. Gerade für Nachwuchssportlerinnen und -sportler kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. Doch es gibt Präventionsprogramme, um solche Verletzungen zu vermeiden.
Prävention: Kreuzbandverletzungen vorbeugen
Frauen sind vier- bis sechsmal häufiger von Kreuzbandrupturen betroffen!

Das vordere Kreuzband (VKB) hat eine wichtige Funktion für die Beweglichkeit des Knies. Es gewährleistet die Kniestabilität und Kontrolle während Beuge-, Streck- und Drehbewegungen. Es verhindert eine zu starke Translation der Tibia (Schienbein) nach vorne und die Knieüberstreckung während des Bodenkontaktes. Langfristig führt eine Knieinstabilität zu Meniskus- und Knorpelschäden.

Zudem liegt die Arthrosewahrscheinlichkeit bei Sportlern mit einer vorderen Kreuzbandruptur deutlich höher. Dies auch nach einer operativen Rekonstruktion. Denn allein schon das Trauma scheint einen Einfluss auf die Entstehung von Folgeschäden zu haben.

In den USA verletzen sich jährlich bis zu 250’000 Menschen am vorderen Kreuzband, mit Folgekosten von über 1,5 Billionen US-Dollar (ca. 1,7 Mrd. Franken). 70 Prozent der Verletzungen entstehen in Nicht-Kontakt-Situationen, das heisst, ohne gegnerische Krafteinwirkung. Solche Verletzungen entstehen durch komplexe Krafteinwirkungen auf das Knie in mehreren Ebenen wie zum Beispiel bei Drehbewegungen, unkontrollierten Manövern beim Spiel, beim Abbremsen und Rückwärtslanden nach einem Sprung. Das Knie fällt dabei in eine Valgusstellung (Einknicken nach innen) und reisst meist in einem höheren Kniewinkel von 0 bis 30 Grad. Zu den Hochrisikosportarten für Knieverletzungen gehören Ballsportarten und der Schneesport im Allgemeinen.

Zweierlei Risikofaktoren

Es gibt zwei verschiedene Bereiche von Risikofaktoren. Zum einen sind dies die umfeldbedingten oder extrinsischen Risikofaktoren, wie zum Beispiel Schuhbelag und Sportausrüstung. Zum anderen spielen Technik (Sprung), Genetik und Geschlecht (Anatomie, Biomechanik) eine Rolle. Diese werden als intrinsische Risikofaktoren bezeichnet.

  • Extrinsische Faktoren: Schuhsohlen haben einen Einfluss auf das Verletzungsrisiko. Ein hoher Reibewiderstand (Bremswirkung) zwischen Schuhsohle und Belag des Spielfeldes wurde 1997 durch ein norwegisches Forscherteam als wichtiger Risikofaktor für Nicht-Kontakt-VKB-Verletzungen beim Handball identifiziert. Auch das Stollendesign von Fussballschuhen spielt eine Rolle (je höher der Torsionswiderstand, umso grösser das Verletzungsrisiko). Zudem beeinflusst auch der Spielfeldbelag wie zum Beispiel trockene Fussballböden das Verletzungsrisiko.
  • Intrinsische Faktoren: Frauen haben ein vier- bis sechsmal höheres Verletzungsrisiko aufgrund der oben erwähnten Faktoren. Einerseits aufgrund der Beckenstellung, was die Neigung zu einer Valgusstellung des Knies (X-Beine) begünstigt. Zudem tragen Menschen mit engerer Kreuzbandhöhle (Notch) ein höheres Risiko, ein- oder beidseitige VKB-Verletzungen zu erleiden. Frauen haben generell eine engere Notch als Männer, was eine Teilursache des erhöhten Verletzungsrisikos darstellt.
    Auch ist die allgemeine grössere Beweglichkeit (Kapsel-Bandapparat) zu erwähnen. Frauen haben ein signifikantes neuromuskuläres Ungleichgewicht zwischen der Quadrizeps- und Hamstringsrekrutierung. Das heisst: Frauen können weniger schnell die hintere Oberschenkelmuskulatur ansteuern, also jene Muskulatur, die neben dem vorderen Kreuzband die Tibiatranslation nach vorne verhindert. Des Weiteren haben Frauen eine verminderte Kraft der Hüftabduktoren/- aussenrotatoren, das heisst, der seitlichen Gesässmuskulatur. Diese Muskulatur hat eine wichtige Funktion in der Stabilisierung des Knies und somit der Kontrolle der Beinachse.
    Die Technik bei Landungen ist ebenfalls ein Risikofaktor. Frauen haben meist ein etwas weniger vorteilhaftes Bewegungsmuster als Männer. Sie landen in einem eher höheren Kniewinkel mit flachem Fuss und aufrechterem Oberkörper.

Gene spielen auch mit

Neueste Studien haben nun auch belegt, dass genetische Faktoren das Risiko einer vorderen Kreuzbandruptur erhöhen. Bei der Entschlüsselung des genetischen Codes des Kollagens (Gewebe des Bandes) haben Forscher herausgefunden, dass ein bestimmter genetischer Typ für die Kollagenbindung in Beziehung mit einer VKB-Ruptur gesetzt werden kann. Bei einer Studie hatten Teilnehmer mit einer VKB-Ruptur eine vier Mal höhere Wahrscheinlichkeit, dass Blutsverwandte ebenfalls eine Ligamentverletzung (Bänderverletzung) erlitten hatten. In einer anderen Studie wurde belegt, dass Geschwister von VKB-Verletzten ein zwei Mal höheres Risiko haben, ebenfalls eine Kreuzbandruptur zu erleiden.

Ein Spezialtraining hilft

In den letzten Jahren wurden verschiedene Präventionsprogramme entwickelt, darunter auch das sogenannte Prevent-Injury-Enhance-Performance-Trainingsprogramm, kurz PEP-Programm (siehe «Mehr zum Thema»). Erarbeitet wurde es in den USA durch Holly Silvers und Bert Mandelbaum. Die Effektivität dieses Programms konnten die Autoren mit einer über einen Zeitraum von zwei Jahren angelegten Studie beweisen. Teilgenommen haben über 1800 junge Fussballspielerinnen im Alter von 14 bis 18 Jahren.

Im ersten Jahr konnte eine Verminderung der VKB-Rupturen in der Interventionsgruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe um 88 Prozent festgestellt werden. Im zweiten Jahr belief sich die Reduzierung der Rupturen auf 74 Prozent. Ziel des Programms ist es, hoch riskante und verletzungsanfällige Positionen zu vermeiden, die Dehnfähigkeit, Kraft, Koordination und Geschicklichkeit zu verbessern. Das Programm sollte zwei- bis dreimal pro Woche für 15 Minuten in der Vorbereitungssaison durchgeführt werden. Es kann das übliche Aufwärmen im Sportunterricht oder im Training ersetzen. Luzia Kalberer

Luzia Kalberer ist Physiotherapeutin am Swiss Olympic Medical Center der Eidg. Hochschule für Sport Magglinigen EHSM.