Bewegungslehre – Techniktraining

Steigere die Effizienz durch Variationen

Das Planen und Gestalten von Techniktrainings sind feste Bestandteile im Arbeitsalltag einer Trainerin oder eines Trainers. Oft sind solche Trainings ähnlich organisiert. Jede Trainerin, jeder Trainer hat eigene Vorlieben und Gewohnheiten zu Aufbau, Reihenfolge oder Schwierigkeitsgrad der Technikübungen, die er den Athletinnen und Athleten bietet. Dieser Blogbeitrag verschafft einen Überblick zu den wichtigsten Aspekten eines Techniktrainings.

Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)

Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.

Ein Trainer schaut zwei Fussballerinnen beim Training zu und coacht sie.

Autor: Charles Pralong, französischsprachiger Mitarbeiter, Trainerbildung Schweiz (TBS)

Dieser Blogbeitrag vergleicht zum einen die Merkmale von geordnetem und zufälligem Üben in einer technischen Trainingseinheit. Zum anderen zeigt er die kurz- und langfristigen Vor- und Nachteile von Übungen mit und ohne Variationen auf.


Die Reihenfolge

Die Abfolge der Übungen kann entweder einem bestimmten Muster oder dem Zufallsprinzip folgen. Dieser zweite Ansatz ist als zufällige Praxis oder – im Jargon der Bewegungswissenschaften – als randomisierte Praxis (engl. random) bekannt (Hossner & Künzell, 2022). Laut Wulf (2010) wird dabei eine Fertigkeit jeweils solange trainiert, bis diese erworben ist. Erst dann folgt eine nächste Übung, mit dem Fokus auf einer anderen Fertigkeit. Bei der Wahl dieser blockweisen Abfolge stehen organisationale Überlegungen im Vordergrund. Der/die Lernende kann sich so besser auf die jeweilige Aufgabe konzentrieren. Im Gegensatz zu einem häufigen Wechsel von einer Übung zur nächsten soll dieses Vorgehen das Lernen fördern. Auch wenn dies plausibel erscheint, zeigen Forschungsergebnisse, dass in der Regel genau das Gegenteil der Fall ist.

Für lernbezogene Vorteile einer zufallsbasierten Übungsabfolge gibt es verschiedene Erklärungen:

  • Eine davon beruht auf der Prämisse, dass die Lernenden für jede Aufgabe unterschiedliche Gedächtnisstrategien anwenden müssen. Dies führt, im Gegensatz zur Blockpraxis, zu einer differenzierteren und ausgefeilteren Gedächtnisrepräsentation. 
  • Ein wiederholter Aufbau von Bewegungsmustern mit zufälliger Reihenfolge der Übungen trägt zu einem langfristigen Lernen bei und ist effektiver ist als Blockübungen (Wulf, 2010). Auch Güllich & Krüger (2013) bestätigen diese Strategie und empfehlen entsprechend zufällig durchgeführte Übungsreihen.

Für eine Passübung im Unihockey wäre z. B. eine randomisierte Abfolge besser als eine blockweise Abfolge. Anstatt die Übungen in der gewohnten und logischen Abfolge A, A, A, A, B, B, C, C, D, D, D zu planen, wird empfohlen diese zu randomisieren A, D, B, D, C, A, B, D, B, C, A, C. Dieses Phänomen wird in den Bewegungswissenschaften als Kontext-Interferenz-Effekt bezeichnet. Zeitlich benachbarte Übungen (Kontext) sind bei einer randomisierten Abfolge gestört (interferiert). Doch genau diese Störung manifestiert sich langfristig in besseren Lernerfolgen (Güllich & Krüger, 2013).

Der Kontext-Interferenz-Effekt

Der Nutzen einer zufälligen Praxis scheint insbesondere bei Kindern ausgeprägt zu sein (Yan, Thomas & Thomas, 1998). Wenn Trainer/innen beispielsweise das Passen im Fussball unterrichten, müssen sie die Trainingsbedingungen variieren, indem sie Faktoren wie Distanz, Schnelligkeit, Höhe oder Richtung des Passes verändern. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass die Trainingseinheit die Bandbreite der während eines Spiels erlebten Variationen abbildet.

Ein Trainingsprogramm mit geringer Kontext-Interferenz kann das Einüben einer oder vielleicht zwei Fertigkeiten (z.B. Schiessen und Passen) in Blöcken von jeweils 20 bis 30 Minuten beinhalten (Blockpraxis). Ein höheres Mass an Kontext-Interferenz würde auftreten, wenn eine Vielzahl von Fertigkeiten – z. B. Schiessen, Passen, Dribbeln – zufällig über die gesamte Trainingseinheit hinweg verteilt geübt würden (zufälliges Üben). Im zufälligsten Trainingsmuster übt ein Spieler in aufeinanderfolgenden Versuchen nie die gleiche Fertigkeit (Williams & Hodges, 2005). Deshalb sind Spielformen sehr interessant, die mehrere Fertigkeiten (Schiessen, Passen, Dribbeln) in einer einzigen Übung beanspruchen.

Darüber hinaus kann das zufällige Üben die Lernarbeit erweitern. Die Spielenden können sich dabei auf ein entdeckendes Lernen einlassen und verschiedene Lösungen für jedes präsentierte Bewegungsproblem finden (Handford et al., 1997). Diesem Ansatz folgen Hossner & Künzell (2022) voll und ganz und fragen sich sogar, ob es aus praktischer Sicht beim Training verschiedener sportlicher Techniken nicht sinnvoll wäre, diese «lose», d. h. auf vielfältige Weise, zu üben.


Die Variation

Überholt ist die in der sportpraktischen Literatur manchmal noch anzutreffende Vorstellung, Übungsbedingungen so einfach und konstant wie möglich zu halten, bis sich ein Bewegungsmuster verfestigt hat. Die Mehrheit der Trainer/-innen und Wissenschaftler/innen ist sich heute einig: Durch Variation der Übungen lassen sich bessere Ergebnisse erzielen als durch ein Training unter konstanten Bedingungen (Hossner & Künzell, 2022). Bereits 1997 bestätigten Wulf & Schmidt in mehreren Studien: Die Durchführung variierter Aufgaben mit der derselben zugrundeliegenden Bewegungsstruktur, aber mit unterschiedlichen Anforderungen – z. B. in Bezug auf Kraft oder Dauer – verbessert die Aufrechterhaltung und den Transfer im Vergleich zum Üben unter konstanten Bedingungen.

Die Leistung während einer Blockübung erscheint im Allgemeinen kurzfristig gesehen besser als bei einer Übung mit Variationen. Dagegen kehrt sich das Ergebnis derselben Leistungen um, wenn ein Aufrechterhaltungstest durchgeführt wird (Hossner & Künzell, 2022). Kurz: Abwechslungsreiches Üben ist für das langfristige Lernen von Vorteil. Die Gründe dafür? Bei einer abwechslungsreichen Übung müssen sich die Lernenden jedes Mal mit der Variante auseinandersetzen, da der Kontext immer ein anderer ist. Dieser Kontextwechsel führt zu einer hohen Interferenz, d. h. zu einer wechselseitigen Störung der notwendigen Kontrollprozesse.

Hingegen führt die Wiederholung der gleichen Übung unter konstanten Bedingungen zu einer geringen Interferenz. Daher ist die Leistungsfähigkeit besser als bei einer Übung mit Variationen. Weil die zugrundeliegenden Kontrollprozesse wegen hoher Interferenz während der Übung besser ausgearbeitet werden, bewirkt das Üben mit Variationen langfristig einen höheren Lerneffekt (Hossner & Künzell, 2022). Dieser Kontext-Interferenz-Effekt (contextual interference effect) ist für die Vorteile des Lernens mit Variationen verantwortlich. Auch Williams & Hodges (2005) bestätigen, dass ein zufälliges oder stark kontextinterferierendes Trainingsprogramm langfristig erfolgreicher ist als das variationsfreie Training.

Variieren: Ja, aber wie sehr?

Hossner & Künzell verdeutlichen in ihrem Werk «Einführung in die Bewegungswissenschaft» (2022) den Aspekt der Variationsbreite: «Auch wenn es in der Fachliteratur einen breiten Konsens darüber gibt, dass die Optimierung von Techniken variabel und im Rahmen der sportartspezifischen Anforderungen erfolgen sollte, dann bedeutet das, dass der Grad der Variation im Training immer von der Zieltechnik und den Anforderungen des Wettkampfes abhängt». Ein Beispiel aus dem Basketball: Während Sprungwürfe in Bezug auf Entfernung und Winkel zum Korb variabel sind und so geübt werden sollten, dass sie den Gegner behindern, ist es durchaus sinnvoll, beim Freiwurf die Variation deutlich zu reduzieren.

Zudem gibt es spezifische Unterschiede in den individuellen Fähigkeiten. Manche Lernende überfordert die Vielfalt der Variationen in ein und derselben Übung. Es geht also darum, für jeden Lernenden den optimalen Punkt der Herausforderung (optimal challenge point) zu finden (Guadagnoli & Lee, 2004). Die optimale Variabilität ist erreicht, wenn die Athletinnen und Athleten zwar herausgefordert sind, die Leistung aber aufrechterhalten können. Wie Hossner & Künzell (2022) erläutern, ist die im Wettkampf geforderte Variation bei Anfängern typischerweise auf das Training beschränkt und wird eher unter leichteren Bedingungen ausgeübt. Fortgeschrittene Athletinnen und Athleten hingegen sollten im Training jeweils vollständige wettkampfspezifische Anforderungen vorfinden. Erfahrene Athletinnen und Athleten können durch erhebliche Behinderungen oder zusätzliche physische, taktische oder psychische Belastungen herausgefordert werden, so dass das Training unter erschwerten Bedingungen stattfindet.

Das Thema der Variation wird auch im differenziellen Lernen behandelt: Bewegungslehre: Welche Lernmethode für ein effizientes Techniktraining?

Variieren: ja, aber was?

Die Literatur betont die Notwendigkeit der Abwechslung beim Erlernen technischer Fertigkeiten. Zwar fällt es Trainerinnen und Trainer leicht, die Reihenfolge der Übungen zu verändern, doch gehen ihnen manchmal die Ideen aus, wie sie die Technikübungen variieren können. Auf den ersten Blick einfache Punkte helfen, eine Variation im Bereich des technischen Lernens anzubieten. Das Prinzip der Variationen ist allen Jugend+Sport-Leiterinnen und –Leitern ein Begriff.

Es gibt unzählige Variationsmöglichkeiten. Diese sollten sich jedoch immer an dem orientieren, was im Wettkampf wirklich relevant ist. Die Grenzen sportartspezifischer Anforderungen sind dabei laufend zu berücksichtigen. Bei der eigentlichen technischen Aufgabe können Variationen wie folgt ausgeführt werden:

  • Bewegungsweite (Winkel, Distanzen)
  • Intensitätsgrad (stärkere oder schwächere Dosierung)
  • Schwierigkeitsgrad
  • angestrebtes/verlangtes Tempo
  • Zeit (früher, später, schneller, langsamer usw.)
  • Körperstellung (nach vorne lehnen, nach hinten lehnen usw.)

Auf der sozialen Ebene können Übungen wie folgt variieren:

  • alleine
  • mit einem Partner
  • in Teams
  • in Gruppen
  • mit oder ohne Gegenspieler/in
  • mit oder ohne Zuschauer

Situativ können folgende Parameter verändert werden: 

  • Oberfläche (z. B. Härte, Instabilität, Qualität, Grösse, Neigung)
  • Trainingszeit (die bei Sportlern einen unterschiedlichen Einfluss haben kann)
  • klimatisch-geografische Bedingungen (z. B. Temperatur, Höhe, Niederschlag, Sonneneinstrahlung)

Auch bezüglich Material sind die Variationsmöglichkeiten vielfältig. So kann z.B. ein/e Trainer/in im alpinen Skilanglauf technische Übungen

  • mit einer unterschiedlichen Anzahl von Skiern und Stöcken (einer, zwei oder keine),
  • mit unterschiedlichen Skiern..
  • mit Bällen, Kegeln, Stöcken sowie Leitern

durchführen lassen.

Die Vielfalt des heutigen Materials bietet unzählige Variationsmöglichkeiten und auch ein einzelner Gegenstand kann durch die Veränderung von Grösse, Gewicht, Härte oder Form zu einer Vielzahl von Varianten führen.

Die oben aufgeführte Liste der Variablen ist nicht abschliessend. Doch sie ermöglicht es Trainerinnen und Trainern, für ihren Sport interessante Variationen zu finden.


Da gibt’s noch mehr …

Neben der Variation sind auch andere Aspekte nicht zu vernachlässigen, um die Effektivität des Techniklernens zu optimieren.

Implizites Lernen

Allzu oft erklären Trainer/innen die Ziele einer Übung gerne ausführlich. Wulf & Schmidt wiesen schon 1997 auf die Bedeutung des impliziten Lernens hin: «Verschiedene Experimentatoren haben gezeigt, dass unterschiedliche Kompetenzen und Fähigkeiten erworben werden können, ohne dass die Lernenden sich dessen bewusst sind (d. h. auf implizite Weise). Im Gegensatz zu anderen traditionell untersuchten Lernformen, die sich durch eine bewusste, kontrollierte und anspruchsvolle Informationsverarbeitung auszeichnen, scheinen implizite Lernprozesse eher passiv und automatisch abzulaufen.»

Durch implizites Lernen erwerben Lernende Wissen über die Regelmässigkeiten der Reizumgebung, ohne sich dessen bewusst zu sein und sogar ohne sich bewusst zu sein, dass sie etwas gelernt haben (Reber, 1989). Dies ist z.B. bei den Small-Sided Games in Teamsportarten der Fall. Der Aspekt des impliziten Lernens ist bei weitem nicht neu, wird aber von Trainer/innen häufig ignoriert. Wer sich also des Lernens nicht bewusst ist, kann dessen Effektivität steigern.

Fokussierung der Aufmerksamkeit

«Worauf soll ich mich konzentrieren?» ist eine häufig gehörte Frage während einer technischen Einheit. Sollen wir uns auf unseren Körper und die Bewegung an sich konzentrieren oder auf die Wirkung, die die Bewegung hervorruft? Wulf (2009) hat gezeigt, dass Anweisungen, bei denen die Aufmerksamkeit auf die eigenen Körperbewegungen (interne Fokussierung der Aufmerksamkeit) gelenkt wird, wenig effektiv sind.

Wird die Aufmerksamkeit hingegen auf die Wirkung der Bewegung auf die Umwelt gelenkt (externer Fokus), z. B. auf die Bewegung eines zu manipulierenden Objekts, führt dies zu besseren Lernergebnissen, also zu präziseren, automatischeren und ökonomischeren Bewegungen. Die Vorteile einer externen Fokussierung entstehen dadurch, dass sie mehr automatische Prozesse der motorischen Steuerung beansprucht. Beim Skilanglauf beispielsweise wäre es daher sinnvoller, sich auf das Gleiten der Skier über den Schnee zu konzentrieren (externer Fokus) als auf die Stellung der Gelenke und der einzelnen Körperteile (interner Fokus).


Fazit

Das Variieren von Übungen bringt also zahlreiche Vorteile mit sich. Während das Üben ohne Variation und in Blöcken die Leistung kurzfristig stärker verbessert, ist das Üben mit Variation und nach dem Zufallsprinzip für das mittel- und langfristige Erlernen von Fertigkeiten effektiver (Williams & Hodges (2005). Es ist also wichtig, sich nicht von der unmittelbaren Wirkung der Übung auf die Leistung blenden zu lassen, sondern die langfristigen Lerneffekte im Auge zu behalten, die von Variationen generiert werden (Wulf, 2010). Dies gilt insbesondere im Entwicklungsprozess junger Athletinnen/en.

Wer also die technischen Fähigkeiten von Athletinnen/en entwickeln will, variiert sowohl die Übungen, die Trainingsbedingungen als auch die Reihenfolge der Übungsabfolgen. Um den Grad der Variation festzulegen, sollte eine Trainerin oder ein Trainer ein ganz besonderes Augenmerk auf den Entwicklungsstand der Athletinnen und Athleten legen. Lernen diese implizit und/oder konzentrieren sie sich zusätzlich auf externe Faktoren – das Bewegungsziel anstelle der Bewegung selbst –, wird die Effektivität Ihres Techniktrainings langfristig noch weiter gesteigert.

Literatur