Neugier und Offenheit als Schlüssel zum Erfolg
Im Global Coach House Paris 2024 trafen sich Trainerinnen und Trainer aus aller Welt, um voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen und neue Wege des Coachings zu erkunden. Der Beitrag beleuchtet die Atmosphäre der Veranstaltung, an der die Besuchenden von internationalem Know-how profitieren durften. Mitten in der Schar von international renommierten Referentinnen und Referenten: unsere Kollegin und Kollegen der Trainerbildung Schweiz Monika Kurath, Iwan Schuwey und Mark Wolf.
Aufzeichnung: Francesco Di Potenza, Chefredaktor mobilesport.ch
Schon beim Betreten der Maison du Handball, einem der Hauptveranstaltungsorte des Global Coaches House in Paris, wird klar: Am Rande der Olympischen Sommerspiele und der Paralympics eröffnet sich uns eine andere Welt. Eine, in der der Fokus auf der Arbeit liegt, um es überhaupt an sportliche Grossanlässe zu schaffen. Die Maison du Handball ist einer der Schauplätze dieses einzigartigen Coaches-Events. Workshops, Diskussionen und intensive Lerneinheiten finden auch im CREPS IDF (Centre de Ressources, d’Expertise et de Performance Sportives).
Von Anfang an zeigt sich: Das Global Coaches House ist mehr als eine gewöhnliche Fortbildungsveranstaltung. Coaches aus aller Welt kommen hier zusammen, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen und neue Impulse mitzunehmen. «Wir sind nicht hier, um uns zu profilieren, sondern um zu wachsen», betont Mark Wolf. Genau darum geht es: nicht nur die Athleten weiterzuentwickeln, sondern auch sich selbst als Coach.
Die Kunst, Unsicherheiten zu managen
Ein zentrales Thema von Mark Wolfs Präsentation, dem Leiter der Trainerbildung Schweiz, ist der Umgang mit Unsicherheiten (EN, pdf) – eine tägliche Herausforderung für Coaches. «Es gibt immer Unvorhergesehenes», sagt Wolf, «doch es geht darum, in der Unsicherheit zu navigieren, ohne den Fokus zu verlieren.»
Sein Ansatz lädt dazu ein, Unsicherheiten, die bei der Planung und Umsetzung von Training und Wettkämpfen auftreten, als Lernchancen zu sehen. Seine Botschaft ist klar: Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg.
Mit dem «Circle of Concern» von Steven Covey (siehe Bild) stellt er ein Tool vor, um Bedenken oder Unsicherheiten besser einzuordnen. Es geht darum zu erkennen, ob man eine Situation kontrollieren (Circle of Control), beeinflussen (Circle of Influence) oder akzeptieren muss (Circle of Concern).
Work-Life-Balance für Coaches: Ein unterschätzter Schlüssel
Ein weiteres Thema der Veranstaltung ist die Work-Life-Balance der Coaches (EN, pdf). Laut Sergio Lara-Bercial, Professor an der Universität Leeds, sollten Coaches nicht nur auf das Wohl ihrer Athleten, sondern auch auf sich selbst achten. «Langfristiger Erfolg erfordert Balance», erklärt er. Der Druck im Spitzensport kann dazu führen, dass Coaches ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Es gilt, einen Weg zu finden, welcher der Persönlichkeit und der Situation gerecht wird. Doch: «Du kannst nur so viel geben, wie du selbst an Energie hast», gibt Lara-Bercial zu bedenken.
Viele Anwesende stimmten zu: auch sie werden oft zwischen den Bedürfnissen ihrer Athleten und ihren eigenen aufgerieben. Die Work-Life-Balance ist ebenso wichtig wie die Vorbereitung der Athleten. «Es ist interessant, über die unterschiedliche Bedeutung der Work-Life-Balance zu hören», bringt es ein Besucher auf den Punkt. «Es ist sicher nicht möglich, unsere Arbeit mit einem Nine-to-Five-Job zu vergleichen. Dennoch sei die Balance ein wichtiger Punkt. «Auch junge Trainer müssen darüber nachdenken, wo der Sport oft vor allem anderen kommt».
Ein Ort der Inspiration und des Austauschs
Das Programm des Global Coach House erstreckt sich über mehrere Tage und bietet den Teilnehmenden die Gelegenheit, tief in die Welt des Spitzensports einzutauchen. In den Workshops und Referaten herrscht eine Atmosphäre des offenen Dialogs. «Jeder hier ist ein Lehrer und ein Schüler zugleich», sagt Monika Kurath, Leiterin Diplomtrainerlehrgang der Trainerbildung Schweiz. In Ihrem Referat stehen Stressmanagement-Strategien (EN, pdf) im Fokus. Sie betont vier zentrale Ansätze, die Coaches dabei helfen, im hektischen Alltag die nötige Balance zu finden und ihre Arbeit langfristig erfolgreich zu gestalten: Kognitive Strategien, problemorientierte Strategien, Bewegung und Sport sowie Regeneration.
Es gehe im Coaching nicht nur um Technik, sondern auch darum, die eigene mentale und emotionale Stärke zu fördern und jene der Athletinnen und Athleten. «Gute Coaches betrachten ihre Athleten ganzheitlich», fügt sie hinzu – «mental, körperlich und emotional.» Aussagen wie diese ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm am Global Coaches House.
Mentale Stärke – der unsichtbare Muskel
«Es ist nicht nur der Körper, der gewinnt. Es ist der Geist.» Der Sportpsychologe Lothar Linz stösst in seiner Session «Mentale Pfade zu den Olympischen Spielen» (EN, pdf) ins gleiche Horn. Was viele als rein physisches Training verstehen, wird hier auf den Kopf gestellt. Inmitten von Grafiken, Videos und Anekdoten zeigt Linz, dass das Training des Geistes den entscheidenden Unterschied machen kann. Wenn alles auf dem Spiel steht, genügt körperliche Fitness nicht allein. «Es sind mentale Routinen, die Athleten in diesen Momenten beruhigen und fokussieren», sagt er.
In den Kaffee-Gesprächen im Gemeinschaftsbereich des CREPS tauschen sich die Coaches über ihre eigenen Erfahrungen aus. «Ich wusste, dass mentale Stärke wichtig ist. Wie tief aber diese Arbeit mit den Athletinnen und uns selbst gehen muss, wird mir erst jetzt richtig klar», meint ein Teilnehmender.
Ein weiteres Highlight ist die Session von Iwan Schuwey, Verantwortlicher der französischsprachigen Trainerausbildung der Trainerbildung Schweiz, zur Planung von Olympischen Spielen. Seine Art, komplexe Inhalte und Zusammenhänge zu erklären, bringt das Publikum wiederholt zum Lachen.
Doch seine Botschaften greifen tief: «Das Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.» Die Anwesenden quittieren diese Kernaussage mit Kopfnicken. Die beste Vorbereitung besteht oft darin, die Unvorhersehbarkeit zu akzeptieren und agil, handlungsfähig zu bleiben.
Das muss er gleich selbst unter Beweis stellen: Er springt kurzfristig als Keynote-Speaker ein, da die ursprünglich vorgesehene Speakerin ausfällt. In der Keynote erzählt er über seine Zeit als Swiss Triathlon National Coach, der ständig «ein Leben am Limit» führt. Der Alltag eines Hochleistungssportcoaches besteht aus 49 Prozent «immer auf der Überholspur bleiben, immer am Hinterfragen, ständig am-alles-Geben und noch mehr». Doch immer noch überwiege das Wissen um das Privileg, in einem solchen Umfeld leben zu dürfen, das zu machen, was man gerne hat», betont Schuwey.
Dennoch: Ist man perfektionistisch veranlagt – wie es eben viele Coaches auf diesem Niveau sind – gerät die Work-Life-Balance oft ins Wanken. Auch wenn man ständig an der Grenze des Machbaren lebt, alles akribisch plant, zu antizipieren versucht, bleibt die Tatsache: «Kein noch so durchdachter Plan überlebt den ersten Kontakt mit der Realität», sagt Schuwey und spielt in seinem späteren Workshop auf die zahllosen unvorhersehbaren Momente an, die in der Vorbereitung auf ein Grossereignis, (EN, pdf) wie die Olympischen Spiele, auftreten. Und untermauert die Aussagen seines Kollegen Mark Wolf.
Auch Wolfgang Killing, Sport- und Sozialwissenschafter und ehemaliger Hochspringer, spricht in seiner Masterclass über den Wert der Flexibilität[1] – sowohl für Trainerinnen und Trainer als auch für Athletinnen und Athleten. «Manchmal ist es nicht der strikte Plan, der Erfolg bringt, sondern die Fähigkeit, sich davon lösen zu können.»
Killing hat in seinen Jahren als Coach so viele Erfolgsgeschichten miterlebt. Doch eine zentrale Lektion bleibt: Erfolgreiches Coaching bedeutet auch, die Freiheit zu haben, auf den Moment zu reagieren. «Im Sport auf diesem Hochleistungsniveau musst du, falls nötig, bereit sein, jederzeit das Ruder herumzureissen.»
Networking auf Weltklasse-Niveau
Die Mischung aus strukturierten Workshops und spontanen Gesprächen verleiht dem Global Coach House eine besondere Dynamik. In den Pausen und beim gemeinsamen Essen treffen sich die Coaches in den Cafés und offenen Bereichen, um informell zu plaudern und neue Kontakte zu knüpfen.
Diese Momente des Austauschs sind für viele Teilnehmer genauso wertvoll, wie die offiziellen Sessions. «Das Networking hier ist einfach unglaublich», sagt ein Trainer aus Kanada. «Man spürt die Leidenschaft in jedem Gespräch. Es ist fast so, als würden wir alle zusammen an einem riesigen Puzzle arbeiten.»
Ein bleibender Eindruck
Was das Global Coach House so besonders macht, ist die Vielfalt der Erfahrungen. Vom detaillierten technischen Wissen über Sprint- und Ausdauertraining bis hin zu tiefgründigen Diskussionen über den mentalen Fokus: Es gibt kaum einen Aspekt des Coachings, der hier nicht behandelt wird.
Am Ende der Veranstaltung sind sich alle einig: Das Global Coaches House ist schon fast eine transformative Erfahrung. «Ich nehme nicht nur neues Wissen mit, sondern auch neue Freunde», sagt eine Teilnehmerin aus den USA. «Ich fühle mich inspiriert, und das werde ich an meine Athleten weitergeben.» Besonders die internationale Zusammensetzung der rund 200 Teilnehmenden, die aus so vielen verschiedenen Ländern angereist sind, macht das Event zu etwas Einzigartigem. Und es war nicht die letzte Global Coaches House-Veranstaltung (siehe Box). Also: Neugier packen, sich dafür öffnen, die Fähigkeiten als Coach auf ein neues Level zu heben.
Das ICCE Global Coaches House wird vom International Council for Coaching Excellence ICCE organisiert und findet jeweils im Rahmen von Olympischen Sommerspielen statt. Die Themenschwerpunkte richten sich nach den aktuellen Bedürfnissen von Trainerinnen und Trainern. Das ICCE ist eine gemeinnützige, globale Organisation mit der Mission, Sport-Coaching weltweit zu leiten und zu entwickeln. Die Mitglieder des ICCE streben danach, die Qualität des Coachings auf allen Ebenen des Sports zu verbessern.
Alternativen zu dieser ICCE-Veranstaltung bietet die Trainerbildung Schweiz TBS ebenfalls Kurse im Magglinger Campus an, das von den TBS-Mitarbeitenden liebevoll “House of Coaches” genannt wird. Ein Blick in den Kursplan lohnt sich auf jeden Fall.