Sportcoaching

Lösungsorientiertes Kurzzeit-Coaching

Das wirksame Coaching des Trainers im Leistungs- und Spitzensport kann auch in einer Kurz-Version effektiv und effizient sein. Das sogenannte lösungsorientierte Kurzzeit-Coaching nutzt die Ressourcen der Athletin oder des Athleten (=Coachee). Durch die gezielte Anwendung von lösungsorientierten Fragen wird der Coachee dabei unterstützt, sich gedanklich in seiner Vorstellung mit dem erwünschten Ziel oder Zielzustand zu beschäftigen. Der lösungsorientierte Coach arbeitet im Kurzzeit-Coaching mit dem Coachee auf eine Lösung hin, statt sich vom Problem wegzubewegen.

Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)

Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.

Symbolbild: Kompass
Bild: MPMPix auf Pixabay


Autor: Heinz Müller, Verantwortlicher Fachbereich Sportcoaching, Trainerbildung Schweiz

Beim lösungsorientierten Coaching steht das Problem oder die Schwierigkeit einer Athletin oder eines Athleten nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Coachee beschäftigt sich mit dem erwünschten Zustand oder dem erwünschten Verhalten in der Zukunft. Als Einstieg kann die Frage dienen, woran der Athlet merken wird, dass er sein Verhaltens-Ziel erreicht hat und was er bereits wirksam tut, damit er dorthin kommt.

«Durch lösungs-, zukunfts- und ressourcenorientierte Fragen erweitert der Coach den Aufmerksamkeitsfokus einer Person und erhöht dadurch die Wahlmöglichkeiten für hilfreiche Handlungsoptionen und Lösungen»

Leo Held, 2019

Beim lösungsorientierten Ansatz ist es entscheidend, dass der Coachee durch dieses Vorgehen das Vertrauen in seine eigenen Möglichkeiten gewinnt und damit beginnt, die Lösung selber zu entwickeln. Dabei ist es beim Kurzzeit-Coaching wichtig, in was genau die (knapp) zur Verfügung stehende Zeit investiert wird. Sollen sich die Gedanken des Coachees im Coaching-Setting auf die Lösung in der Zukunft richten oder soll er über das Problem in der Vergangenheit verhaftet nachdenken?

Symbolbild: In was investiere ich meine Zeit.
Abbildung 1. In was investiere ich meine Zeit? (Held 2019)

Meier und Szabo (2008) beschreiben in ihrer Einführung in das lösungsorientierte Kurzzeit-Coaching die folgenden Annahmen:

1. Statt Probleme zu lösen, (er)-finden wir Lösungen:

Es lohnt sich im Coaching, viel Zeit darauf zu verwenden, ein möglichst genaues und erwünschtes Bild der Lösung zu entwickeln. Die Substitution der Problemanalyse durch die Zuwendung auf frühere Erfolge, konkrete Schritte der Verbesserung und die Konstruktion des Erwünschten nährt die Hoffnung und schafft das Bewusstsein, der Lösung näher zu kommen. Sie schreiben aus dieser Haltung heraus etwas provokativ:

«Der Lösung ist es egal, warum ein Problem entstanden ist» (Meier/Szabo 2008, S.18)

2. Coachees haben bereits Erfahrung mit der Lösung:

Wir dürfen annehmen, dass keine Schwierigkeit permanent und in gleich hoher Intensität besteht. Es lohnt sich darüber nachzudenken, was der Coachee tun kann, damit das Problem weniger häufig und stark auftritt. Zudem kann der Coach nach Ausnahmen fragen:

  • Wann hat es das letzte Mal geklappt? 
  • Was hast du damals genau gemacht? Wie hast du das geschafft?
  • Wie kannst du mehr davon tun, was funktioniert hat?

«Tue mehr von dem, was funktioniert» (Meier/Szabo 2008, S.21)

3. Der Coachee ist der Experte

Im lösungsorientierten Coaching gilt der Kunde (Coachee) als kundig und somit als Experte in seiner eigenen subjektiven Erfahrungswelt. Der Coach hält sich mit Ratschlägen zurück, damit der Coachee seine Lösung individuell adäquat entwickeln kann, bis sie passend ist.


Beim lösungsorientierten Kurzzeit-Coaching ist die Art und Weise der Fragestellung entscheidend und wir können hier von der Anwendung von gezielt eingesetzten Fragetechniken sprechen. Dabei bekommt das lösungsorientierte Fragen eine zentrale Rolle.

Lösungsorientierte Fragetechniken

Fragetechniken können den Coach darin unterstützen, den Coachee auf die Lösung hin zu fokussieren. Hier einige Beispiele von lösungsorientierten Fragen:

  • Wie kannst du mehr davon tun, was geklappt hat? 
  • Was hast du gemacht, dass es funktioniert hat?
  • Wenn die Schwierigkeit gelöst wäre, was genau wäre dann anders?
  • Was kannst du tun, dass es ein wenig besser wird?
  • Woran würdest du merken, dass du einen kleinen Schritt weiter bist?
  • Was von dem, das du in der Vergangenheit schon erfolgreich getan hast, kannst du ab morgen häufiger tun?

Skalierungsfragen können zudem hilfreich sein, eine klarere Einschätzung der gegenwärtigen Situation zu erlangen. Wo befindest du dich auf einer Skala von 1 (Flop) bis 10 (Top)? Wenn sich der Athlet beispielsweise bei einer 4 taxiert, kann ich wie folgt nachfragen:

Was kannst du tun, damit du dich in dem gewünschten Verhalten von der 4 in Richtung 5 verschiebst?

Dies ist die Frage nach dem ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung und zielt auf eine Verbesserung auf der Verhaltensebene.


Gesprächsphasen im Kurzzeit-Coaching (nach Meier/Szabo 2008)

Meier/Szabo (2008) beschreiben in ihrer Einführung in das lösungsorientierte Kurzzeit-Coaching verschiedene Phasen des Gesprächs, um den Coachee in Richtung der erwünschten Lösung zu coachen. Hier eine Zusammenfassung mit ausgewählten Fragestellungen: 

1. Vereinbarung

Im ersten Schritt wird mit dem Coachee geklärt, was aus seiner Sicht durch das Gespräch für ein Nutzen entstehen sollte:

  • «Was sollte in diesem Gespräch aus deiner Sicht passieren, damit du am Ende sagen kannst, es hat sich gelohnt?»

2. Futur Perfekt

In dieser Phase geht es darum, dass der Coachee sich dazu äussert, wie das Gewünschte aussieht oder sich in der Zukunft verhält:

  • Wie soll der erwünschte Zielzustand für dich aussehen?
  • Nehmen wir an, es geschieht über Nacht ein Wunder, welches die Situation verbessert, woran würdest du das erkennen? 

3. Funktionierende Vorboten

Es gilt herauszufinden, welche Ressourcen der Coachee bereits besitzt und in der Vergangenheit aktivieren und mobilisieren konnte, damit er seinem Ziel und der Lösung nähergekommen ist:

  • Was hast du damals gemacht, dass es besser wurde? Wie hast du den Fortschritt geschafft?
  • Wie kannst du daran anknüpfen oder mehr davon tun?

4. Kleine Schritte

Der Coachee erhält die Aufgabe, erste Schritte zu entwickeln und zu formulieren, die ihn etwas näher in Richtung der Lösung bringen:

  • Was wäre ein erster Schritt in die gewünschte Richtung?
  • Was kannst du konkret tun?

5. Feedback zum Coaching und Ausblick

Zum Ende des Gesprächs äussert sich der Coach wertschätzend bezüglich dem Engagement des Coachees, sich mit der Lösung befasst zu haben. Der Coachee sollte die Zuversicht spüren, dass ihn die Mobilisierung der eigenen Ressourcen der Lösung näherbringt. Am Schluss wird festgehalten, was der Coachee in der Praxis umzusetzen versucht und wie das weitere Vorgehen im Coaching-Prozess strukturiert ist.


Es kann sich als Trainer/Trainerin lohnen, in das lösungsorientierte Kurzzeit-Coaching zu investieren und Erfahrungen damit zu sammeln, damit die investierte Zeit wirksam eingesetzt werden kann: «In der Kürze liegt die Würze» (Held 2019)